Badisches Tagblatt 17. Juli 2018
In Baden-Baden-Steinbach
Bußgeld nach Vandalismus an Baudenkmälern
Es ist ein echter Denkmalskandal. Das baden-württembergische Landesamt für Denkmalpflege musste zwei denkmalgeschützte Häuser in der unmittelbaren Nachbarschaft des Rathauses im Baden-Badener Stadtteil Steinbach aus der Denkmalliste streichen. Anlass sind nicht genehmigte Umbauten an den barocken Häusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert (Steinbacher Straße 49 und 53). Der Dachstuhl des Hauses 49 wurde abgerissen. Es handelt sich dabei um das einzige Mansarddach im Städtl. Auch im Inneren gab es gewaltige Eingriffe. Zwischendecken wurden nach Informationen dieser Zeitung entfernt. Die Stadt will nun ein Bußgeld verhängen, das bis zu 250 000 Euro hoch sein kann.
Aus Denkmalliste gestrichen
„Die beiden betreffenden Objekte stellen mittlerweile keine Kulturdenkmale mehr dar“, erklärt Désirée Bodesheim, Pressereferentin des Regierungspräsidiums Stuttgart, zu dem das Landesamt für Denkmalpflege seit der letzten Reform gehört. „Dies wurde hervorgerufen durch die abweichend von den Abstimmungen beziehungsweise Auflagen der denkmalrechtlichen Genehmigung ausgeführten Maßnahmen, was zu einem sehr hohen Verlust an durchaus instandsetzungsfähiger historischer Substanz führte. Die erhaltene beziehungsweise einbezogene Originalsubstanz liegt leider unter 50 Prozent, weshalb die Denkmaleigenschaft nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Das Landesamt für Denkmalpflege bedauert diese Entwicklung, obwohl es im Vorfeld intensive Abstimmungen und Ortstermine mit den Denkmalbehörden gab und die historische Bausubstanz denkmalgerecht saniert hätte werden können.“
Bereits drei Investoren
Das hübsche Ensemble nordöstlich des Steinbacher Rathauses besteht aus drei Altbauten, von denen zwei bis vor kurzem unter Denkmalschutz standen. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts haben sich insgesamt drei Investoren an der Sanierung dieser Gebäude versucht. Das erste Konzept eines Gaggenauer Investors hat diese Zeitung in ihrer Ausgabe vom 27. März 2010 vorgestellt. Die damals bereits seit Jahren leer stehenden Häuser und eine nicht denkmalgeschützte Schreinerwerkstatt an der Rückseite des Hauses Nr. 49 sollten zu acht Eigentumswohnungen und einem Ladenlokal umgebaut werden. Nachdem 2013 noch kein einziger Kaufvertrag unterschrieben war, trennte sich der Investor von den Immobilien.
Die Bausubstanz litt unterdessen. Im Sommer 2013 fiel dem zuständigen Gebietsreferenten der Landesdenkmalpflege auf, dass am Gebäude Steinbacher Straße 49 Dachziegel abgerutscht waren. Notsicherungsmaßnahmen wurden veranlasst.
Teure Wohnungen
Seit 2014 bemühte sich der zweite Investor um die drei Altbauten im Herzen des Städtl. Er übernahm das Konzept seines Vorgängers mit der Aufteilung der drei Häuser in nunmehr neun Wohnungen mit Flächen zwischen 156 und 74 Quadratmetern und Preisen zwischen 528 669 und 249 906 Euro. Auch dieser Bauherr hatte bei der Vermarktung der Wohnungen keinen Erfolg. „Ich habe mir das nicht so schwierig vorgestellt“, erklärte ein Sprecher der Gesellschaft am 24. April 2015 auf Anfrage dieser Zeitung.
Skeptische Experten
Die Pläne, die drei Häuser in ein knappes Dutzend Wohnungen aufzuteilen, hielten Experten bereits damals für nicht erfolgversprechend. Stadtkonservatorin Nicole Schreiber von der Stadt Baden-Baden sah das im Gespräch mit dieser Zeitung am 25. April 2015 ähnlich. „Drei Einfamilienhäuser würden Sinn machen“, meinte sie.
Steuervorteile nur bei Denkmalschutz
Der dritte in Karlsruhe ansässige Investor hat die Sanierung ab dem Spätjahr 2015 zunächst relativ zügig vorangetrieben. Auf seiner Homepage berichtet ein Karlsruher Makler, dass die zehn Wohnungen bereits alle verkauft seien. Außerdem wird mit der besonderen steuerlichen Förderungen für die Sanierung von Kulturdenkmälern geworben. Die ist nach Informationen dieser Zeitung für die Käufer nach dem Verlust der Denkmaleigenschaft allerdings passé. Telefonisch war der Makler nicht erreichbar. Eine Anfrage per Mail blieb unbeantwortet.
Bürgermeister Uhlig ist verärgert
Baden-Badens Bau-Bürgermeister Alexander Uhlig nennt den Denkmalfrevel in Steinbach ein „Unding“ und „absolut bedauerlich“. Zur Höhe des Bußgeldes wollte er zum jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens keine Angaben machen. Der Bauherr habe sich nicht an die Festsetzungen der Baugenehmigung gehalten. „Deshalb haben wir die Baustelle eingestellt“, berichtete Uhlig. Der Investor musste einen neuen Bauantrag stellen, der inzwischen genehmigt wurde. Ob zumindest die für das Stadtbild wichtige äußere Hülle der Häuser wieder hergestellt wird, konnte Alexander Uhlig nicht sagen. Die Baufreigabe für das Projekt wurde nach Auskunft der städtischen Pressestelle bisher noch nicht erteilt.
Veränderungssperre
Der Steinbacher Stadt- und Ortschaftsrat Günter Seifermann (Grüne) hat am Mittwoch bei der Stadtverwaltung einen Antrag auf Veränderungssperre gestellt.
Martin Wenz: „Einfach nur wach geküsst“
„Das Städtl gehört einfach nur wach geküsst!“ Dies betonte Oberkonservator Martin Wenz, der für das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Baden betreut, bereits am 26. Februar 2011 im Interview mit dieser Zeitung. „Es müsste vielmehr deutlich gemacht werden, was für ein Kleinod das Städtl ist. Für die mittelbadische Landschaft, in der 1689 durch französische Truppen fast alles zerstört wurde, stellt das Städtl, in dem inklusive Stadtmauer noch alles vorhanden ist, eine Besonderheit dar.“ Vor diesem Hintergrund sprach der promovierte Kunsthistoriker und Architekt sogar von einem „Mini-Rothenburg“
Ortsbegehung mit Denkmalpfleger
Bei einer Begehung mit dem Ortschaftsrat Rebland im Juli 2011 forderte der Denkmalpfleger im Hinblick auf die beiden denkmalgeschützten Häuser Steinbacher Straße 49 und 53 ausdrücklich: „Es ist sehr wichtig, dass die beiden Gebäude nicht abgerissen werden. Das wäre für das Stadtbild eine Katastrophe.“
Was macht Steinbach besonders? Die ummauerte Altstadt hat eine Fläche von rund eineinhalb Hektar und die Grundriss-Gestalt eines Quadrats. Die gotische Stadtmauer, die in großen Teilen erhalten ist, entstand nach der Stadterhebung 1258 vermutlich im 13. Jahrhundert. Sie gehört zu den am besten erhaltenen in Baden. Steinbach hatte zwei Stadttore. Das Bühler Tor erhob sich beim heutigen Rebland-Museum und das Badener Tor am oberen Ende der Steinbacher Straße. 1810 wurden beide Tore, die militärisch längst keine Funktion mehr hatte, abgerissen. Sie standen der weiteren städtebaulichen Entwicklung im Weg.
Der mittelalterliche Stadtgrundriss inmitten der Mauern ist weitgehend erhalten. Er besteht im Wesentlichen aus der nach Norden ansteigenden Steinbacher Straße, die zwischen den beiden nicht erhaltenen Stadttoren vermittelte. Von der Steinbacher Straße ist über zwei kurze Gassen die hoch gelegene Terrasse des Kirchplatzes am Ostrand des Städtl erreichbar.
Wiederaufbau nach Zerstörungen 1689
Die meisten Gebäude in der Altstadt entstanden nach den Zerstörungen durch französischen Truppen im Jahr 1689. Diesem Krieg fielen damals viele Städte in Mittelbaden zum Opfer. Über den beiden Eingängen des barocken Wohn- und Geschäftshauses Nr. 49 sind zwei Jahreszahlen eingelassen: 1698 und 1723. Die erste Jahreszahl lässt darauf schließen, dass es sich um einen der ersten Neubauten nach den katastrophalen Zerstörungen gehandelt hat.
Pfarrkirche auf einem Hügel
Die katholische Pfarrkirche St. Jakobus steht auf einem Hügel. Der Chor ist der letzte erhaltene Teil des spätgotischen Gotteshauses, das 1463 als dritte Kirche an dieser Stelle entstand. Nach Zerstörungen 1643 und 1689 wurden das mittelalterliche Langhaus und der Turm im frühen 18. Jahrhundert in einfachen barocken Formen erneuert. Das dreischiffige neugotische Langhaus mit viergeschossigem Westturm entstand 1906/07 nach einem Entwurf von Johannes Schroth, dem Leiter des Erzbischöflichen Bauamtes in Karlsruhe.
Ackerbürger und Weinbauern
Innerhalb der Stadtmauern lebten Ackerbürger, außerhalb siedelten sich entlang des Bachs Weinbauern an, deren giebelständige Häuser zum Teil erhalten sind. Im Nordwesten des Städtl wurde im 19. Jahrhundert eine Essigfabrik erbaut. Dort standen bis zu diesem Zeitpunkt Scheunen. Im Grunde war dieses Gelände direkt an der Stadtmauer immer das wirtschaftliche Herz der Ackerbürgerstadt.
Zentrum der Essig- und Senfherstellung
Nun entwickelte sich dort ein kleines Zentrum der Essig- und Senfherstellung im Land Baden. Von den Fabrikgebäuden ist so gut wie nichts mehr erhalten. Einige Nebengebäude wurden in den 1990er-Jahren zu Wohnzwecken umgenutzt. Dabei blieb aber nur das Untergeschoss mehr oder weniger unverändert erhalten. Dort, wo sich die Fabrikgebäude befanden, entstand der Bürgergarten. Um den Bürgergarten entstanden einige Neubauten, die alten Bauwerken nachempfunden wurden.
Kommentar zum Thema
Es ist ein unfassbares Trauerspiel. Die Baden-Badener Kernstadt bemüht sich durchaus erfolgversprechend gemeinsam mit anderen großen europäischen Kurstädten des 19. Jahrhunderts um die Aufnahme ins Weltkulturerbe und im Stadtteil Steinbach räumt ein Bagger rücksichtlos die wichtigsten Teile des ältesten Profangebäudes der Stadt ab. Für diesen Frevel trägt natürlich nicht die Kommune als Untere Denkmalschutzbehörde die Verantwortung, sondern der Investor. Dennoch muss man sich im Baden-Badener Rathaus den Vorwurf gefallen lassen, dass man sich für den Stadtteil Steinbach, der immerhin seit 1258 Stadtrechte besitzt, nicht wirklich interessiert.
Oberkonservator Martin Wenz hat bereits am 26. Februar 2011 im BNN-Interview eine Gesamtanlagen-Schutzsatzung entsprechend Paragraf 19 des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes ins Gespräch gebracht. Für die Kernstadt gibt es sie seit 2007. Aus der Steinbacher Satzung wurde bekanntlich nichts. Um das einmalige Bild des Städtls zu erhalten, sollte man in Baden-Baden als kleine Lösung aber über eine kommunale Erhaltungssatzung nachdenken, wie sie die Nachbarstadt Bühl 2014 für die Eisenbahnstraße erlassen hat.
Außerdem sollte die Stadt mit ihrem „Mini-Rothenburg“ (Wenz) endlich offensiv werben. Die Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH, die mehrsprachige thematische Führungen in der Kernstadt anbietet, sollte diese auf Steinbach ausweiten. Die Touristen kennen Steinbach nicht, weil sie niemand darauf hinweist. Die Kurstadt vergibt damit eine große Chance, gleich doppelt zu punkten.
Die Stadt München versteht bei Denkmalfrevel keinen Spaß. Sie verlangt aktuell, dass der „Baulöwe“, der widerrechtlich das Uhrmacherhäusl abgerissen hat, dieses aus den Trümmern originalgetreu rekonstruiert. Mit einem solchen Exempel will die bayrische Landeshauptstadt Denkmalfrevlern die Freude an ihrem unverantwortlichen Handeln verderben. Zumindest sollte die Stadt Baden-Baden mit dem höchstmöglichen Bußgeld reagieren, das immerhin eine Viertelmillion Euro betragen kann.
Aktuell kann die Kommune nur noch retten, was zu retten ist. Einer Veränderungsperre muss jetzt möglichst schnell eine Erhaltungssatzung für das gesamte Städtl folgen. Dazu müssen Stadtverwaltung und Gemeinderat an einem Strang ziehen. Was in Bühl möglich ist, sollte auch die „Weltkurstadt“ zu Wege bringen
Acher- und Bühler Bote / BNN vom 19. Juli 2018
Stillstand bei Umbauarbeiten:
Stadtrat Seifermann sorgt sich um „Ortsbild prägendes Gebäude“ in Steinbach – Erinnerung an OB Mergen
In einem Schreiben an Oberbürgermeisterin Margret Mergen erinnert Stadtrat Günter Seifermann an eine unbeantwortet Anfrage in der Bauausschusssitzung am 12. Juli zum Sanierungsvorhaben Steinbacher Straße. goodnews4.de berichtete.
Angesichts eines monatelangen Stillstandes bei diesem Sanierungsvorhaben kursiere «das Gerücht, die Denkmaleigenschaft der Anwesen Steinbacher Straße 49 und 51 sei erloschen, weil die denkmalgeschützte Bausubstanz beider Objekte zum größten Teil vernichtet worden sei», ist der grüne Stadtrat besorgt über die Zukunft der ortsbildprägenden Gebäude. «Ich bitte Sie um rasche Prüfung und Entscheidung, damit dieses erhaltenswerte und ortsbildprägende Anwesen im Steinbacher Städtl erhalten bleibt.», drängt Güner Seifermann erneut auf eine Antwort aus dem Baden-Badener Rathaus.
goodnews 19. Juli 2018
Von: Dezernat 1
Gesendet: Dienstag, 31. Juli 2018 17:05
An: Seifermann, Günter
Betreff: Antrag auf Prüfung Veränderungssperre Steinbacher Str. 49
Sehr geehrter Herr Seifermann,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 18. Juli 2018 zum Thema Veränderungssperre für die Steinbacher Straße 49.
Der Erlass einer Veränderungssperre setzt einen Bebauungsplan-Aufstellungsbeschluss voraus. Für den von Ihnen beantragten Bereich besteht ein solcher jedoch nicht und der rechtsverbindliche Bebauungsplan „Ausschluss von Vergnügungsstätten Steinbach“ kann dazu nicht herangezogen werden.
Im Hinblick auf den Erhalt des Anwesens und die Rekonstruktion des Mansarddaches bin ich jedoch guten Mutes, eine denkmalgerechte Lösung zwischen Landesdenkmalamt und Bauherrschaft vermitteln zu können, die dann im Endeffekt auch wieder das historisch überlieferte Stadtbild im Bereich des Steinbacher Städtel zum Ergebnis hat.
Mit freundlichen Grüßen
Margret Mergen Stadt Baden-Baden Oberbürgermeisterin Marktplatz 2, 76530 Baden-Baden
Keine Veränderungssperre für Steinbacher Straße 49
Bürgermeister Uhlig mach Hoffnung für Steinbacher Städtel – Schreiben an Stadtrat Seifermann: „Guten Mutes, eine denkmalgerechte Lösung vermitteln zu können“
In einem Schreiben an Stadtrat Günter Seifermann beantwortete Baubürgermeister Alexander Uhlig eine Anfrage vom 18. Juli 2018 des grünen Stadtrates, in der er eine «Veränderungssperre für die Steinbacher Straße 49» gfordert hatte. goodnews4.de berichtete.
Der Erlass einer Veränderungssperre setze «einen Bebauungsplan-Aufstellungsbeschluss voraus», heißt es in dem Antwortschreiben von Bürgermeister Uhlig. Für den von Günter Seifermann beantragten Bereich bestehe ein solcher Beschluss jedoch nicht und der rechtsverbindliche Bebauungsplan «Ausschluss von Vergnügungsstätten Steinbach» könne dazu nicht herangezogen werden. «Im Hinblick auf den Erhalt des Anwesens und die Rekonstruktion des Mansarddaches» sei er «jedoch guten Mutes, eine denkmalgerechte Lösung zwischen Landesdenkmalamt und Bauherrschaft vermitteln zu können». Die dann im «Endeffekt auch wieder das historisch überlieferte Stadtbild im Bereich des Steinbacher Städtel zum Ergebnis» hätte, heißt es im Schreiben aus dem Rathaus in Richtung Steinbach.
Badisches Tagblatt vom 11. August 2018
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